Sonntag, 12. Juni 2016

Berlin-Bangkok-Paris-Münster! Hello Angie



Mama-Thailand, Papa-Syrien. Beide Gastronomen. Heraus kam ein bildhübsches Mädel, dem das Kochen bereits in die Wiege gelegt wurde. Multikulturell in den Berliner Straßen aufgewachsen,  in den wilden Teenie Jahren geht‘s  "back to the roots" nach Thailand.
Auf den Streetfood Märkten Bangkoks lernt Angie das Geheimnis des Curry-Kochens  und geht artig ins Kloster, um den Mönchen zu lauschen.
Jahre später Paris. Die Stadt der Liebe und der Genießer. Hier wird sie im 5 Arrondisment gestählt und bekommt ihr Finish. Bewirtet Stars und Sternchen, Politik und alten Pariser Adel.
Das hart verdiente Geld, steckt sie am liebsten in die besternten Küchen dieser Welt.
Das ist Angie, wie sie leibt und lebt. Nebenbei kocht sie für ihre Freunde das beste Thaicurry der Stadt.

Fragen?

Ja!





Hej Angie, 
schön, dass Du da bist! Ich habe richtig viele Fragen an Dich, schießen wir also gleich los!

Klaro, gerne!

Wie war es für Dich als Kind mit zwei Kulturen aufzuwachsen?

Also als wir ganz klein waren, haben wir das gar nicht so wahrgenommen. Erst später, als wir zu meiner Oma gezogen sind. Mama hat oft Thai gekocht, aber darüber denkt man ja gar nicht nach, ob es Thai arabisch oder deutsch war.
Ich kann mich gut daran erinnern, dass meine Mutter immer etwas anders war als mein Vater. Meine Mutter war strenger und wir mussten uns besser benehmen. Es war ihr sehr wichtig, dass wir höflich sind und jedem Guten Tag sagen und die „Wai“ Geste machen. Das ist eine typische thailändische Geste, bei der man die Hände faltet und grüßt.

Auf der arabischen Seite hat man uns sehr verwöhnt und es wurde viel gekuschelt. Oft saßen wir stundenlang auf dem Schoss meiner Oma, die kaum von uns gelassen hat und ständig wurde man abgeknutscht. In Thailand waren unsere Großeltern viel weniger herzlich und es gab kaum Körperkontakt. 

Wie war das mit dem Essen? Gab es da Kulturelle Unterschiede?

Bei Oma mussten wir alles probieren und Oma hat auch nie gesagt, was wir da gerade gegessen haben. Ich liebe beide Küchen. Thai koche ich besser als arabisch, deswegen koche ich das einfach lieber. 





Was waren schwierige Momente, wo so ein Aufeinanderprallen der Kulturen mal nicht funktioniert hat?

Ich bin z.B. mal als Kind über meinen sitzenden Opa gesprungen, einfach weil er eine kleine Hürde in meiner Bahn war. Da ist meine Mutter ausgeflippt. Der Respekt älteren Menschen gegenüber ist sehr wichtig. Sowas macht man einfach nicht. Genau wie die Kopfgeste. In Thailand fasst man niemandem an den Kopf. Auf der arabischen Seite, bei meiner Oma, durfte ich aber immer in ihren Haaren spielen. In Thailand war das dann ein riesen Drama. Als Kind versteht man das ja einfach noch nicht.

Kissenschlacht mit thailändischen Großeltern geht auch einfach mal gar nicht. Auch wenn mein Opa auf dem Boden saß, durfte man nicht so an ihm vorbeilaufen, sondern musste sich ducken und darauf achten Demut zu zeigen. In der Schulzeit mussten wir, wenn der Lehrer saß, dann knien. In Asien sitzt man ja eh viel auf dem Boden. Aber hier war das Verhältnis ganz klar, dass man in der Hierarchie unter jemandem steht und zu ihm herauf schaut.





Das war manchmal übertrieben, aber trotzdem habe ich die Strenge hier dann vermisst und auch den Respekt, den man älteren Menschen gegenüber zollt, finde ich sehr gut. Ich bin froh, dass man uns das mit auf den Weg gegeben hat.

Was sind das noch für Faux-pas? Was hat das mit dieser Kopfsache auf sich? 

Der Kopf ist einfach das Höchste an dir, die Füße das Niedrigste. Das geht soweit, dass man Socken und Unterwäsche nicht mit der restlichen Kleidung zusammen wäscht. Wir sind damals auf der Schule heimlich nachts aufgestanden, um unsere Socken und Unterwäsche in der Waschmaschine zu waschen. Das sollten wir sonst per Hand erledigen. 

Auch das Thema Jungs war schwierig. In Deutschland ist es ja ganz normal für mich gewesen, sich mit Jungs zu unterhalten. Ich hatte auch viele Jungs in meinem Freundeskreis. In Thailand ging das gar nicht, bzw. haben die Leute hinterher getuschelt. Meine Mutter hat mich dann mal zur Seite genommen und mir erklärt, dass man nicht einfach so eng nebeneinander sitzen kann und sich schubsen oder im Gespräch anfassen darf. Das war strange. 


" Im Hintergrund hört man Gebete, die Mönche bauen Gemüse an,  es gibt viele Tiere und man ist ganz nah bei der Natur."


Fühlst Du Dich zu einer der Kulturen mehr hingezogen? Was gefällt Dir an den jeweiligen Kulturen?

Ich kann nicht sagen, dass ich mich zu einer Kultur mehr hingezogen fühle. Beides hat seine Vor ,- und Nachteile. Die arabische Kultur ist halt viel herzlicher. Ich war früher sehr oft bei meinen Verwandten. Der Empfang ist viel offener. Sowohl Frauen als auch Männer haben viel mit uns unternommen. Der Umgang mit Kindern ist ein anderer. Wir wurden überall mit hingeschleppt und waren ganz anders in den Alltag integriert. 

Spätestens als es um die jeweiligen Religionen ging, habe ich einen großen Unterschied bemerkt. Mir war schon sehr früh bewusst, dass ich lieber in den Tempel gehe. Während man in der Kirche stundenlang still sitzen musste, hatten wir in Thailand die Wahl und konnten entweder zuhören oder durften auf dem Tempelgelände herumstromern. Die ganze Umgebung ist wunderschön, die Atmosphäre so entspannt und angenehm. Im Hintergrund hört man Gebete, die Mönche bauen Gemüse an, es gibt viele Tiere und man ist ganz nah bei der Natur. Richtig chillig. Die Buddhisten sind da definitiv entspannter. Ich mag auch den Gedanken der Wiedergeburt. Mit den gleichen  Menschen wieder zur Welt zu kommen, das fänd ich schön.

Was hat Dich in Deiner Kindheit besonders geprägt?

Die Zeit in Bangkok hat mir zum Beispiel klar gemacht, was für ein Luxus-Leben ich vorher hier in Deutschland geführt habe. Wie viele Menschen dort in bitterster Armut leben und nichts von den Dingen wissen, die für mich so selbstverständlich waren. Und trotzdem so zufrieden mit ihrem Leben sind. 

Meine Oma hat auch eine große Rolle gespielt. Die Familie ist ja arabischer Herkunft, meine Oma Aramäerin und sie waren auch die ersten Ausländer im Ort. Statt zuhause zu bleiben, hat meine Oma einen Deutschkurs besucht, einen Führerschein gemacht und hier beim Roten Kreuz gearbeitet, weil sie anderen Menschen helfen wollte. 

Später, als die Ehe meiner Großeltern dann nicht mehr so gut lief, bzw. mein Opa ja ein ziemlicher Patriarch war, der die Familie sehr dominiert hat, hatte sie sogar den Mut ihn zu verlassen. In dieser Kultur eigentlich undenkbar. Sie hat sich so für ihre Rechte und die ihrer Kinder stark gemacht. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie Oma ihn damals raus geworfen hat. Ich hatte ein bisschen Angst um Oma, was aber im Nachhinein völlig unbegründet war, denn sie war so eine starke Frau und ist mit Allem klargekommen. 

Ihr war wichtig uns zu zeigen, dass man für das, was man will, auch kämpfen muss. Sich nicht unterbuttern lassen darf. Eine richtige Revoluzzerin. 
Unsere Oma hat uns ja quasi groß gezogen. Zwischendurch waren wir zwar auch länger in Berlin, aber die meiste und prägendste Zeit waren wir bei meiner Oma.


"Meiner Oma war es aber wichtig, dass wir hier Deutsch sprechen und uns anpassen."


Deine Oma scheint eine sehr ungewöhnliche Frau gewesen zu sein. Wird dir das so im Nachhinein klar oder wusstest Du schon immer, dass deine Oma da sehr besonders ist? 

Ich habe das schon sehr früh bemerkt. Wie sie die Trennung durchgezogen, und was sie alles allein aufgebaut hat. Oma hat mit 15 ihr erstes Kind bekommen und das letzte dann mit 21 Jahren. 5 Kinder, plötzlich Brustkrebs und während der Chemo hat sie so hart und viel weiter gearbeitet, um uns alle durchzufüttern, weil mein Opa nach einem Unfall arbeitsunfähig war. 


Was für eine starke Frau! Wie habt Ihr eigentlich miteinander gesprochen? Ich stelle mir das ziemlich schwierig vor, gerade wenn Ihr immer so viel zwischen den Ländern gependelt seid…

Das war total kompliziert und echt‘ ne Katastrophe. Als Opa noch da war, haben wir zuhause viel Aramäisch und Deutsch gesprochen. Als Opa weg war dann nur noch Arabisch und Deutsch, Mama immer Thai. Wir haben so ziemlich alles durcheinander gebracht. 

Als dann klar war, dass wir nicht mehr halbjährlich nach Thailand pendeln, haben wir nur noch Deutsch gesprochen. Arabisch habe ich schon immer gut verstanden. Meiner Oma war es aber wichtig, dass wir hier Deutsch sprechen und uns anpassen. Oma hat sich für unsere Zukunft schon immer etwas anderes vorgestellt und uns sehr unterstützt, hier Fuß zu fassen.

Hast Du denn oft Fernweh nach Thailand oder Syrien?

Mehr nach Thailand. In Syrien haben wir öfters unsere Ferien verbracht und ich erinnere mich gerne an Damaskus und Aleppo. Dort war es so schön. Ich bin echt froh, dass ich das alles so kennenlernen durfte. Schlimm, wie dort jetzt die politische Lage ist und es vieles davon vermutlich einfach nicht mehr gibt. Es war damals aber so, wie banal sich das auch anhört, dass man als Kind natürlich lieber an den Strand gefahren ist. Also Thailand. 





Was vermisst Du an Thailand bzw. Bangkok?

Ich vermisse die Anonymität. Bangkok ist eine Riesenstadt und es interessiert kein Schwein, was du machst, trägst oder wie du gerade aussiehst. Ich glaube, deswegen hat es mich auch nach Paris gezogen. Das vermisse ich. 

Was siehst Du dann als Deine Heimat?

Deutschland ist für mich Heimat. Ich fühle mich auch Deutsch. Auf jeden Fall fühle ich mich mehr Deutsch, als Thai oder Arabisch. Ich bin froh, dass ich mich so ziemlich überall gut anpassen kann. Hier in Deutschland hatten wir einfach die meiste Freiheit und konnten uns entfalten.

Wie haben Dich die Küchen der Länder geprägt? Ist das dann eine Mischung aus beiden Küchen?

Ich koche viel mehr Thai. Arabisch leider kaum. Ich habe da damals gar nicht so drüber nachgedacht. Meine Oma war immer so eine starke Frau, von der ich dachte, dass sie bestimmt noch auf meiner Hochzeit tanzt. Das wir noch viel Zeit miteinander haben und sie mir beibringen kann, Arabisch zu kochen. Das ist sehr schade. Ich habe schon immer gern bei ihr in der Küche gestanden, geguckt und geholfen. Daher kann ich das auch ein bisschen.



"Der Reiskocher lief bei uns immer..."


Was ist denn Dein Lieblingsgericht?

Sate-Spieße und Suppen. Ich liebe Nudelsuppen so sehr!

Was sind Deine ersten Kindheitserinnerungen an Essen?

Ich war immer völlig verrückt nach Wassermelonen. Schon als 1 jährige bin ich völlig durchgedreht, wenn so ein Wagen mit Melonen an uns vorbeigefahren ist. Ich habe solange gekreischt, bis jemand mir Wassermelone gekauft hat.



Ich erinnere mich auch daran, wie meine Mutter immer in der Küche verschwunden ist, kurze Zeit später wieder rauskam und ein wahres Buffet mit vielen Gerichten gezaubert hatte. Einfach so. Der Reiskocher lief bei uns immer. In Thailand haben wir viel und gerne Sate-Spieße und Klebreis gegessen. Hier bei Oma gab es dann gefüllte Paprika&Weinblätter, Hummus und Fladenbrot. Lahmacun haben wir auch oft gemacht und geholfen.


 "Das war mein erster Stern, den ich in Frankreich gegessen habe." 


Wie bist Du denn dann zur Gastronomie gekommen? War das schon immer ganz klar?

Papa hat ja schon in Berlin in der Gastronomie gearbeitet. Hier in Münster dann auch. Wir Mädels haben ebenfalls, sobald wir konnten, in der Gastro gejobbt. Uns wurde ja von Haus aus nichts in den Hintern geschoben und so haben wir schon sehr früh gelernt, für Klamotten o.ä. die wir gerade unbedingt haben wollten, arbeiten zu gehen. 

Soviel Geld und das so schnell zu verdienen, das war verrückt und wir hatten eine echt gute Zeit. So bin ich dann irgendwie da reingerutscht. Ich weiß noch, dass Papa' ne richtige Krawatte drauf hatte. Der wollte natürlich, dass wir etwas „Vernünftiges“ lernen. Nicht so eine Arbeit, an der man immer Abends und am Wochenende arbeiten muss. Für mich kam hinzu, dass mein High-School Abschluss aus Bangkok nicht richtig anerkannt wurde. 
Da hab ich mich entschlossen, erst einmal eine Restaurantfachausbildung zu machen. Und habe ziemlich schnell bemerkt, dass man damit auch an jeden Winkel der Welt kommen kann. Gerade weil ich mit meinen Sprachkenntnissen aus Thailand, wo ich auch Japanisch, Chinesisch und Englisch intensiv gelernt hatte, viele Leute erreichen konnte und während meiner Ausbildung schon das ein oder andere Angebot kam.

Irgendwie war es dann wohl Schicksal, wie es weiter gelaufen ist. Mein Vater hat mich für sein neu eröffnetes Restaurant den Sommer über gebraucht, obwohl ich ein Angebot vom "east" Hamburg auf dem Tisch liegen hatte. So bin ich dann in Münster geblieben und habe im Aasee-Restaurant angefangen. Dort hatten wir auch eine gute Zeit. Ein junges Team und interessante Küche mit französischem Einschlag. Da habe ich viel probiert und bin auf den Geschmack gekommen.




Was hat Dich dann nach Paris geführt?

Mein Chef hatte mir als Dank für mein Engagement ein Essen im Ritz in Paris geschenkt. Mein damaliger Freund hat ja in Paris gelebt. Auf jeden Fall habe ich dort zu Mittag gegessen. Das war mein erster Stern, den ich in Frankreich gegessen habe. Ich war so fasziniert von dem Service und dem ganzen Drumherum. Über Umwege und etwas Vitamin B, habe ich dann den Michel Roth, den damaligen Küchenchef im Ritz, dort auch mittags kennen lernen dürfen. Ich wusste gar nicht, welche Ehre mir da zuteil wurde, denn später habe ich erfahren, dass dieser sonst so ungefähr nie in den Saal kommt.

Als ich wieder in Deutschland war, stand für mich fest, dass ich das lernen möchte. Und das obwohl ich kein Wort französisch spreche. Manchmal fügen sich die Dinge, so habe ich mit Menschen gesprochen, die mir dahingehend Einiges ermöglicht haben. Und einer dieser Menschen hat mir quasi einen Job im Ritz klar gemacht. Leider stand dann kurze Zeit später fest, dass das Ritz renoviert werden soll. Ich hätte dort dann ein paar Monate arbeiten können, aber es war für mich zu wenig, um hier alles aufzugeben und keine Sicherheit zu haben, nach Wiedereröffnung auch übernommen zu werden. 

Bei einer Hoteleröffnung auf Norderney, dessen Restaurant mein Chef gestaltet hatte, saßen wir in einer Runde zusammen und ich habe von meinen Paris Erlebnissen geschwärmt. 
Wie es der Zufall so wollte, kannte dort jemand den Besitzer des „la tour d’argent“ und bot mir an, dass er ja mal Bescheid geben könne und ich auf jeden Fall eine Bewerbung schicken sollte. (Anmerkung: Das la tour d’argent ist ein weltberühmtes, 1582 gegründetes Restaurant, dass für seine Entengerichte und seinen Weinkeller bekannt ist. Laut Wiki waren der letzte König aus dem Hause Valois, Heinrich der III und auch der Sonnenkönig Ludwig, Stammgäste. Der Weinkarte umfasst rund 440.000 Positionen.)





Ich war natürlich völlig geflasht, weil auch hier noch eben genau dieser klassische Service stattfindet, den ich unbedingt lernen wollte. Ich habe dann meine Bewerbung abgeschickt, aber ehrlich gesagt nicht daran geglaubt, dass da überhaupt irgendwas zurückkommt. 

Ein paar Wochen später hab ich nach Feierabend auf mein Handy geschaut und eine 0033 Nummer gesehen. Irgendwie hatte ich da‘ nen Aussetzer, ich weiß noch wie ich in die Runde gerufen hab „Leute, wisst Ihr welches Land 0033 als Vorwahl hat?“ Da kamen dann Antworten von Belgien bis Spanien…wir Experten…
Meine Chefin wusste es aber und so hab ich zurück gerufen und hatte das „la tour“ am Ende der Leitung. Das war krass. Ein paar Tage später hatte ich ein Bewerbungsgespräch am Telefon, davor hab ich aus lauter Nervosität eine Schachtel Zigaretten geraucht. 

Der Direktor war dann aber so nett am Telefon und meinte, dass wir da schon ein Plätzchen finden werden und hat mir ein paar Tage später einen unbefristeten Arbeitsvertrag zugeschickt. Ich konnte das Alles gar nicht glauben. Das war wie ein Sechser im Lotto.

Wow. Wie war denn dann Dein erster Tag?

Als ich das erste Mal da rein kam, war ich ein bisschen geschockt. Dieses alte Gebäude, drei Männer um die 60, die Räume mit dicken Teppichen ausgelegt, überall Silber und in die Jahre gekommener Prunk. Der Direktor hat mich dann aber durch das Haus geführt, ich durfte mir den berühmten Weinkeller anschauen und den Dachboden mit den hauseigenen Imkerei. Dazu hat er die Geschichte des Restaurants erzählt, das hat mich echt beeindruckt und den ersten Eindruck sowas von wettgemacht.





Und auf der Arbeit? 

Die ersten Wochen waren wirklich hart. Ich hatte ja einen commis Posten unterschrieben und die haben meistens einfach mal die Arschkarte gezogen. In Frankreich ist die Hierarchie auch nochmal anders. Ich hatte wochenlang Rückenschmerzen von den Tabletts, die ohne Teller schon fast 3kg gewogen haben. Die Patisserie ist auf einer anderen Etage als der Saal, da musst Du die Treppen hochsprinten, wenn Du das Tablett voller Soufflees hast, die mal gerne innerhalb von Minuten abschmieren. Das war ein bisher ungeahnter Druck, das kannte ich so aus Deutschland nicht. 


Zum Beispiel das abgezählte Silber Besteck. Dafür trägst Du allein Verantwortung. Da kommt leider immer mal wieder etwas weg, egal wo, ob im Service, in der Spülküche oder im Gastraum. Das fällt dann auf Dich zurück. Das war Krieg und alle standen unter Strom. Dazu dann manche Alteingesessene, die gar nicht mit mir gesprochen oder mich nur verarscht haben, einfach aus dem Grund, weil ich ihre Sprache nicht sprechen konnte. Bis ich da erst einmal geblickt habe, wo der Hase lang läuft, hat das etwas gedauert und hat mich so manches Mal an meiner Entscheidung zweifeln lassen.

Viel zu verdanken habe ich dem Jean Pierre. Das war unser Canardier, ein Entenmeister, also derjenige der die Enten gemacht hat. Ein richtiger Franzose wie aus dem Bilderbuch. Auf einer Schicht hat er mich nach Feierabend zu sich gewunken und mir etwas Ente mit seiner Sauce zu kosten gegeben. Ich war völlig geflasht und hab ihn sooo für seine Sauce gefeiert. Da standen wir zwei, haben zusammen gegessen, uns allein mit Händen, Gesten und meinem gebrochenem Französisch so gut verstanden.
Das war der Beginn unserer „großen Liebe“.









„JP“ wie ich ihn nenne, hat mich auf väterliche Weise an die Hand genommen und mir erklärt wie das im „la tour“ so funktioniert. Dazu gehörte auch, mir täglich ein neues Wort beizubringen, meistens waren das allerdings Schimpfwörter….





So wurde das Arbeiten dann schlagartig besser und offenbar so gut, dass ich nach 2 Monaten meine erste Beförderung zum demi chef bekam. So war ich dann im Saal. Endlich keine Tabletts mehr schleppen. Hier kamen mir meine Sprachkenntnisse dann echt zugute, da wir viele ausländische Gäste hatten. Zwei Monate später dann die Beförderung zum chef de rang. 

Beeindruckend…da hast Du bestimmt viel erlebt und spannende Menschen kennengelernt. Hast du dort neben „JP“ noch andere Freunde gefunden?

Also meine spätere beste Freundin in Paris, Celine, hat im Weinkeller gearbeitet. Wir haben uns auf Anhieb super verstanden und den Spaß an Wein geteilt. Wir haben da vielleicht Weine probieren dürfen, das darf man eigentlich gar nicht erzählen, so geile Sachen waren dabei! In 500 Jahren “la tour“ Geschichte, war Celine dann übrigens die erste Sommeliere dort. Richtig coole Frau.

Mit der Küche habe ich mich auch irgendwann richtig gut verstanden. Ich hab halt immer am Pass gestanden und gefragt „ was ist das, wie macht man das, wie schmeckt das „ und bin auf eine Mauer des Schweigens gestoßen.

Einer der Köche wusste schon um meine Leidenschaft für Essen, denn ich hab zu der Zeit an meinen freien Tagen angefangen, Sterne essen zu gehen und fleißig Bilder gemacht. Wenn mein Freund zu Besuch war, auch gerne mal 2-3 Restaurants an einem Wochenende. Das hat dazu geführt, dass mir der Chefkoch dann manchmal wortlos oder mit einem motzig-dahingeworfenen „ probier das“ etwas zum Verkosten gegeben hat und wir auf einmal im ständigen Austausch der Pariser Sterneküche waren.








Und als Gäste? Irgendwelche Stars und Sternchen? Oder darf man das nicht verraten?

Klar…super viele Sportler…Woody Allen…Jon Travolta& Robert deNiro…Woody Allen kam öfters vorbei und hat immer im Gastraum gesessen und wurde von einigen Gästen angestarrt. Ansonsten saßen die meisten Stars in privat Salons. Wir im Service haben alle Gäste selbstverständlich gleich behandelt. Die möchten ja auch nur in Ruhe essen und nicht zugeschwallt werden. Ich wusste gar nicht, dass Jon Travolta Italiener oder Halbitaliener ist...der hat da mit Robert deNiro und einer größeren Gruppe gesessen und Travoltas Hochzeitstag gefeiert. So eine richtig laute italienische Runde. Es waren ebenso viele abgefahrene Köche da. Ferran Adrià und sein Bruder zum Beispiel. Die waren supernett und wir haben uns richtig lange unterhalten.

Warum hast Du dann Paris verlassen?

Ich hätte zu Pierre Gagnaire wechseln können, da wäre ich aber wieder so ungefähr ganz unten gestartet. Da es für mich im „la tour“ kein Weiterkommen gab und ich dort alles erreicht, was ich mir gewünscht hatte, dachte ich, dass es besser ist zu gehen wenn’s am Schönsten ist. Außerdem hab ich zu dem Zeitpunkt bereits eine Fernbeziehung geführt und so hab ich mich entschieden, für die Liebe wieder zurück nach Münster zu gehen. 


                      "Da hab ich Michael Jordan kennengelernt." 


Bist Du denn nochmal in Paris gewesen?

Ja klar, sowohl zum Arbeiten als auch privat. Über eine Freundin kam ich zu einer Firma, die Servicekräfte für Messen bzw. den temporären Restaurants auf Messen vermittelt. Meine erste Messe war der Salon de automobile und ich bei Mercedes für die Bar bzw. das Restaurant zuständig. Das war eine echt spannende Aufgabe, zumal ich noch nie auf einer Messe gearbeitet hatte. Der ganze Aufbau, wie das alles so funktioniert. Die stressigen Pressetage an denen alle angespannt sind und die wohl ziemlich ausschlaggebend für das nachfolgende Jahr sind.
Die deutsche Presse und Vorstände waren überrascht, jemanden vor Ort zu haben der ihre Sprache spricht. Einige der Journalisten habe ich dann immer wieder auf verschiedenen Veranstaltungen getroffen. Das war jedesmal ein lustiges Wiedersehen. 

Bis heute hält man da so manche Kontakte und ich bekomme immer mal Emails, ob ich bei diesem und jenem Event wieder am Start bin. Man lernt wirklich interessante Leute kennen und manchmal bekommst Du die verrücktesten Jobangebote. 

Zum Beispiel?

Flugzeuge verkaufen in Singapur steht bis heute aus…an einem Stand auf einer Flugzeugmesse bin ich für einen Hersteller quasi als Dolmetscherin eingesprungen, als der thailändische General für Luft und Raumfahrt bei uns rein spaziert kam. Die ganzen Asiaten haben das abgefeiert, dass da jemand plötzlich Thai und mehr spricht und so wollte mich der Hersteller direkt für seine Dependance in Singapur. 

Überhaupt war das arbeiten sehr chillig. Also wir haben zwar echt viele Stunden gekloppt, so meistens rund 12 am Tag. Aber ich habe mit meiner Freundin direkt beim Arc de triomphe in einer richtig coolen Maisonette gelebt. Wenn wir mal nicht gearbeitet haben, konnten wir das in vollen Zügen genießen.

Ich habe das zwar auch für das Geld gemacht, aber ich habe so viele tolle Menschen, mit für mich besonderen Lebenswegen,- und Geschichten kennengelernt. Da prägen einen die 2,3 Tage, die Du mit denen arbeitest. Das werde ich mein Leben lang wohl nicht mehr vergessen.





Was waren das für Veranstaltungen, wo man dann solche Leute trifft?

Ich habe zwischenzeitlich ja auch für einen der größten und ältesten Caterer Frankreichs gearbeitet. Die machen weltweit krasse Events. In Paris sowas wie die French open usw...
Wir hatten auch mal ein Event in Versailles. Das war heftig. Allein die Laufwege von der Küche bis in den Saal, da haben wir einen Marathon gelaufen. 

Das coolste war allerdings das Nike Event im Rathaus, im Hôtel de ville. Da hab ich Michael Jordan kennengelernt. Das war so geil…definitiv mein Highlight. 
Lilly Allen war an dem Abend auch da. 
Ich hatte den table d’honneur, also den Tisch an dem Michael Jordan saß. Wir haben im Service alle die neue Kollektion Air Jordan getragen. 
Auf die hat mich Michael Jordan dann angesprochen „ hey geile Schuhe haste da an…dürft Ihr die denn eigentlich behalten?“ 
Durften wir ja nicht und das hab ich ihm auch gesagt. Die waren ja noch nicht auf dem Markt und wurden gerade released. 
Tja und am Ende der Schicht kam mein Chef an und hat mir einen Karton in die Hand gedrückt „Mit lieben Grüßen von Herr Jordan“. 

Da waren dann meine Schuhe drin. Das war echt so geil!! Ich wäre natürlich am liebsten wieder hochgerannt, um mich zu bedanken und auf jeden Fall noch die Schuhe signieren zu lassen. Aber ich war ja auch schon umgezogen und an der Security vorbei. So professionell sollte man dann ja doch sein, sonst wär das sicherlich das letzte Mal der table d’honneur für mich gewesen….

Das witzige daran war, dass ich a) Nike und Air Jordan schon immer getragen habe und b) wir am nächsten Tag schon geplant hatten zu der 30 Jahre Air Jordan Ausstellung zu gehen, um uns die Dinger anzuschauen und einen Blick auf  Jordan zu erhaschen. Dann sitzt der da abends am Tisch und ist so ein cooler, netter Typ….abgefahren.Sowas passiert Dir wohl nur in solchen Jobs.

Und jetzt biste wieder hier in Münster! Auch was Schönes…!
Wir können uns auf jeden Fall glücklich schätzen, dass Du da bist! Ich denke da gerade mal an Dein Curry…wann hast Du angefangen das zu kochen?

Mir hat die Thaiküche einfach gefehlt. Meine Tante in Bangkok hat ein Restaurant, indem in ich jeder freien Minute rumgehangen habe. Da wusste ich ja schon wie es geht. Ich hab dann einfach drauf losgekocht. Und immer wieder probiert und optimiert. Überall, in Restaurants und auf Foodmärkten. Ich wusste ja genau, wie das Endprodukt schmecken muss. Seit vielen Jahren mache ich jetzt schon meine eigene Paste. Obwohl ich gestehen muss, dass ich sie in letzter Zeit auch mal ganz gerne kaufe.





Welche denn?

Mae Ploy ist die Marke…die haben rote, gelbe, grüne und das panäng. Letzteres mag ich am liebsten, weil da noch Erdnüsse mit drin sind. Die ist so schön cremig.

Hmmmm….oh wir müssen gleich unbedingt zusammen kochen…ein paar Fragen hab ich aber noch, auf die Du vielleicht ein kurzes Statement geben kannst…hast Du Restaurantempfehlungen, wenn man lecker thailändisch essen möchte?

Das Baan Thai in Düsseldorf und in Paris das Viet Thai. In Bangkok einfach Streetfood.

Und was ist Dein Lieblingsrestaurant? 

Definitiv das Astrance in Paris…super Service und wirklich fabelhaftes Essen.





Was musst Du immer zuhause haben? Reis.

Dein liebstes Kochutensil? Mein Wok.

Was kochst Du, wenn Du Gäste hast?

Mein Curry und Frühlingsrollen.

Welches Land reizt Dich kulinarisch?

Definitiv Japan, aber auch China und Vietnam.  

Deine Lieblingsplätze in Deinen Städten Paris& Bangkok?

In Paris das quartier chinois, der Eiffelturm und der Jardin des Tuileries.
In Bangkok der Siamsqare, Chinatown und der JJweekendmarket.

Angie, vielen Dank für Deine Zeit! Das war mega interessant…jetzt kochen wir Curry, oder?

Ja sicher!!

Wenn Ihr wissen möchtet, wo Angie schon überall war und wo sie gegessen hat, dann folgt Angie auf Instagram (angievgl) . Bei den Bildern läuft einem das Wasser im Mund zusammen…..