Freitag, 25. August 2017

Heartbreaking EN 縁 Eine Klasse für sich

Amsterdam, der 14. Januar, 19.30, Ecke Dusartstraat

Ein dunkler Anzug, die schwarzen Haare streng frisiert, der aufmerksame Blick scannt den gesamten Raum, unauffällig geht die Hand zum Ohr, leise und unmissverständlich werden Anweisungen ins Headset gesprochen, während der Herr mit dem Knopf im Ohr zielstrebig auf uns zu steuert. Müssen wir uns etwa gleich - die Hände an der Wand und die Beine leicht gespreizt - auf Waffen oder gefährliche Gegenstände abtasten lassen?
„Good evening Madam. Good evening Sir, how can i help you?“ 

Irritiert und ebenso eingeschüchtert ob dieses bondmässigen Auftritts, stottere ich meine Reservierung. Mit einem Ohr höre ich meinen Mann zischeln...in was für einem Schuppen wir denn hier gelandet seien...hätten wir doch einen entspannten Abend in Amsterdam verbringen wollen. 

Wir werden zu unserem Tisch geführt, vorbei an flink umher wuselndem Servicepersonal, die uns auffällig freundlich zulächeln. Noch trauen wir dem Braten nicht. Westfalen halt.
Erst als wir Platz nehmen, kommen wir wieder zu uns und ich schaue mich um. Indirekte Beleuchtung, schlicht-elegante Einrichtung in warmen Erdtönen. Hier kann man sich wohlfühlen. Wir sitzen in einem separaten und westlich-schickem Raum. Nur im Vorbeigehen konnte ich den vorderen Hauptraum mit grossem Holztresen kurz sehen. Also entschuldige ich mich und stehe nochmal auf. Zu gross das Interesse. Eventuell gibt es außerdem ja noch einen Platz am Sushi Tresen. Im Hauptraum herrscht die gemütlich offene Atmosphäre wie ich sie aus typischen niederländischen Lokalen kenne. Es erinnert nur wenig an ein japanisches Restaurant. Was dem Ganzen jedoch keinen Abbruch tut, denn gesellige, hohe Holztische mit Hockern lassen mich in Gedanken bereits ein eiskaltes Asahi* trinken und dazu Edamame* picken. Der grosse Baumstamm, der hier als Tresen fungiert ist glatt poliert und glänzend. Eine japanische Familie sitzt dort und wir kommen sofort ins Gespräch. Oft kämen sie hier her, hier gäbe es das beste Sushi in ganz Amsterdam, wenn nicht gar in den Niederlanden überhaupt. Ich möchte mich direkt dazusetzen, erinnere mich jedoch an meinen Mann. Schnell eile ich zurück an unseren Tisch und zum vorbestellten Omakase* Menü

Denn was Ryuji Ikemizu und Ken Osawa hier auf die Beine gestellt haben, ist ein Konzept ganz nach meinem Geschmack. Beste Qualitäten in lockerer Atmosphäre und dabei verhältnismässig erschwinglich. Beide, die vorher im Hotel Okura* in Amsterdam - genauer im Restaurant Yamazato* - gearbeitet haben, verließen das Yamazato mit dem Anspruch, gutes japanisches Essen in die Welt zu bringen. Besonders wichtig ist Koch Ken Osawa bei der Umsetzung dieses Plans sein Kappo-Menü. Kappo bedeutet buchstäblich Schnitt (roh) und gekocht (warm). Es wird hohen Wert auf Geschmack, Struktur, Farbe und Zusammensetzung der saisonalen Zutaten gelegt. Das Ganze eher auf einem „casual“ Level. Beim "Kappo"-Stil soll es nicht - wie beispielsweise in der Kaiseki* Küche - auf die Spitze getrieben werden.

Wir hatten - wie zuvor erwähnt - bereits bei der Onlinereservierung das siebengängige Omakase* Menü bestellt. Dazu eine Sakebegleitung. Mitinhaber und Manager Ryuji Ikemizu ist ausgebildeter Sake Sommelier und für Sake ist das EN bekannt.
Der Geheimagent vom Anfang entpuppt sich als eben jener Sakesommelier. Unsere anfängliche Skepsis schlägt in Begeisterung um, als Ikemizu uns fachmännisch und mit ansteckender Leidenschaft Sake empfiehlt. Von Sake zu Sake erfahren wir mehr über die verschiedensten Facetten des Getränks und am Ende ist sogar der normalerweise Bier vorziehende Ehemann überzeugt.
Alleine dafür hätte sich der Abend ganz sicher schon gelohnt. 
Aber nicht zuletzt waren wir wegen des Essens da.

Unser Omakase Menü war wirklich wundervoll und setzte sich wie folgt zusammen:




Menü


























Signatur-Gericht









Dobinmushi














Sashimi

























Agemono





















Aburizushi


















Tempura




















Hotpot 






















































Dessert























Das EN versteht sich als ein Rückzugsort aus dem stressigen Alltag. Abschalten und die aufeinander abgestimmten Gerichte und Getränke genießen, während man dem Koch bei seiner Arbeit zuschaut. Ich könnte hier täglich sitzen und abschalten. Meiner Meinung nach hat das EN das Zeug dazu, in der Oberliga der japanischen Restaurants in den Niederlanden und auch hierzulande mitzuspielen. Und sie sind auf dem richtigen Weg* dorthin. Und deshalb werde ich wieder kommen, immer und immer wieder. EN, ich bedanke mich und blicke gespannt Eurer Zukunft entgegen. Und da geht es bestimmt hoch hinaus, da bin ich mir sicher. 





Ryuji Ikemizu&Ken Osawa




Eine Reservierung für das EN ist unumgänglich. Ich habe Wochen zuvor reserviert und bereits online das Menü vorbestellt. Nur eines der Dinge, die man auf der Webseite vorher angeben muss. Alles lediglich auf Englisch und Japanisch. Im Service wird ebenfalls Englisch und Japanisch, jedoch  überraschenderweise kein Niederländisch gesprochen.

















Für das aktuelle Menü und Bilder folgt dem EN auf Facebook:
https://www.facebook.com/en.amsterdam.japanese.restaurant/


*Hotel Okura ( ein japanisches Hotel mit drei besternten Restaurants, davon zwei Japanische Restaurants u.a "Yamazato")

*Omakase おまかせ, "Anvertrauen"): Wer dies sagt und wählt gibt dem Meister die Gelegenheit, seine feinsten Zutaten vorzuführen und so zu servieren, dass der Geschmack nach seiner Vorstellung zur Geltung kommt. Der Meister geht außerdem davon aus, dass der Preis für den Gast keine Rolle spielt.
In unserem Fall gab es bereits ein festgesetztes Omakase Menü, welches man vorher einsehen konnte.


* Kaiseki, die japanische imperiale Küche. Die kleinen, höchst dekorativen, mit frischesten saisonalen Zutaten bereiteten Gerichte wurden ursprünglich am kaiserlichen Hof als Bestandteil der Teezeremonie serviert. Es gibt eine klare Menüfolge, wobei die unterschiedlichen Garmethoden entscheidend sind: roh, gebraten, gekocht, frittiert.

* Asahi, ein japanisches Bier
*Edamame, japanische Sojabohnen, werden häufig als Snack zum Bier gereicht.

*Auf dem besten Weg und schon fast da. Unserer Begeisterung hat das leicht verkochte Gemüse im Dobinmushi, das etwas zu kalt servierte Sashimi und der manchmal etwas hakelige Service keinen Abbruch getan!